Zehn Tage auf hoher See
Kolumne April 2019
Nachdem ich im Oktober mit rund 30 Austauschschülern eine abenteuerliche Busrundreise auf der Südinsel unternommen hatte, suchte ich für die Herbstferien ein Reiseangebot auf der Nordinsel, das vor allem an Einheimische gerichtet war. Mit viel Glück ergatterte ich den letzten Ausbildungsplatz als «Seemannslehrling» im April auf der «Spirit of New Zealand». Diese 10-tägigen Schiffsreisen sind bei den jungen Kiwis sehr beliebt.
Die Reise startete im Hafen von Auckland. 39 Jugendliche warteten gespannt auf die Einschiffung. An Bord der «Spirit of New Zealand», einem rund fünfzig Meter langen Dreimaster, wurden wir von einer zwölfköpfigen Crew begrüsst. Nach dem Verstauen des Gepäcks im Massenschlag wurde der Anker hochgezogen und schon ging’s los. Jeder «Trainee» bekam eine Nummer, die sowohl den Schlafplatz, als auch die Gruppeneinteilung fürs Segeln festlegte. So bildeten jeweils zehn Nummern eine «Watch», also eine Segelgruppe. Am Anfang der Reise mussten wir unsere Handys abgeben und an einer Sicherheitsschulung teilnehmen. Als wir endlich die grösste Stadt Neuseelands hinter uns gelassen hatten, war die Aufregung allen Teilnehmern förmlich ins Gesicht geschrieben, gespannt darauf, was wohl alles auf uns zukommen würde.
Ausruhen war für die nächsten zehn Tage keine Option. Alle mussten sofort mit anpacken. Denn ohne die Segel zu hissen, kommt man schlecht vorwärts. Dieses Vorhaben verlangte eine Menge Teamwork, Koordination und Know-how. Die Namen aller Segel und Seile, die es zu bedienen galt, waren nicht nur für mich als Fremdsprachler verwirrend. Das Schiff war in vier Segelstationen aufgeteilt, die wir täglich wechselten, damit wir nach acht Tagen alle Segel ohne jegliche Anweisungen der Crew bedienen konnten.
Täglich mussten wir bereits um 6:30 Uhr aus den Federn. Fünf Minuten später stand die ganze Besatzung für das morgendliche Aufwärmritual auf dem Deck. Dazu gehörte ein Sprung ins eiskalte Wasser. An den Drill gewöhnte ich mich ziemlich schnell, wärmer fühlte sich das Meer aber auch am neunten Tag nicht an. Neben dem täglichen Segeln gingen wir auch an Land. Mit den Schlauchbooten paddelten wir an die Küste, kraxelten danach Berge hinauf und grillierten am knisternden Lagerfeuer. So lernten wir uns alle besser kennen und hatten dabei eine Menge Spass.
Am neunten Tag mussten die «Schiffslehrlinge» das Steuer übernehmen und das Schiff sicher in den Heimathafen zurückbringen. Dabei durfte ich die Rolle des Navigators übernehmen. Nach manueller Kalkulation auf den Seekarten, gaben wir die Route ins GPS-System ein und stellten sicher, dass der Kapitän nicht vom Kurs abkam.
Leider nahte bald der Abschied. Nach zehn unvergesslichen und lehrreichen Tagen auf hoher See flossen beim Abschied die Tränen. Ich habe 38 neue Freunde gewonnen und mein Handy keine Sekunde vermisst.
Veröffentlicht im Wohler Anzeiger / Bremgarten Bezirksanzeiger am 31. Mai 2019
SPIRIT OF ADVENTURE VOYAGE 780 - Ten Days on a Sailing Ship
Eine fünfminütige Montage der Eindrücke der zehntätigen Segeltour im Golf von Hauraki nördlich von Neuseelands grösster Metropole, Auckland.